Interessante Örtlichkeiten

Das Geiseltal

Die Archäologie

Die verschiedenen, insgesamt bis zu 120 m mächtigen Flöze der Braunkohle im Geiseltal enthielten hochwertige Fossilien des Mitteleozän. Diese mitteleozäne Faunengemeinschaft wurde 1914 erstmals beschrieben und seit 1925 auch in wissenschaftlichen Ausgrabungen geborgen. Insgesamt umfasst der aus 59 Einzelfundstellen geborgene Komplex mehr als 30.000 Fossilfunde von bisher 125 beschriebenen Fossilarten, die zum Großteil zu Wirbeltieren gehören. Überliefert sind aber nicht nur Skelettreste sondern auch die vergänglicheren Weichteile (u. a. Haut, Muskulatur, Haare, Federn). Damit gehört das Geiseltal zu einem der weltweit wichtigsten Fossilfundorte jener geologischen Zeitstellung. Hervorzuheben ist das 1933 gefundene, vollständig erhaltene Urpferd Propalaeotherium von nur 60 cm Größe, das aus der Schicht der Oberen Mittelkohle stammt. Weitere gefundene Fossilien aus den Kohleschichten des Eozäns sind zum Beispiel Godinotia (fossile Lemuren), Lophiodon (ähnlich dem Tapir), Oxyaenoides (Urraubtier), Asiatosuchus (fossiles Krokodil), Geoemyda (Erdschildkröte), Trogulidae (fossile Weberknechte) und Psiloptera (Prachtkäfer). Daneben gibt es auch eine hohe Anzahl an Überresten der Flora, teilweise mit erhaltenem Chlorophyll.

Die Deckschichten der Braunkohle trugen mehrere fossile Seebecken. Die drei wichtigsten befanden sich nahe der Ortschaft Frankleben am Nordostrand des Geiseltales und werden nach ihrer Lage im ehemaligen gleichnamigen Abbaufeld als Neumark-Nord 1, 2 und 3 bezeichnet. Mindestens ein weiteres liegt aber auch bei Mücheln am Südrand. Das bedeutendste Seebecken ist Neumark-Nord 1, welches 1985 während Abbauarbeiten entdeckt wurde und sich als Mudde mit einer Vielzahl paläontologischer und archäologischer Funde erhalten hat. Hervorzuheben sind weitgehend vollständig erhaltene Kadaver pleistozäner Säugetiere, die am Rande dieses Seebeckens verendet oder von Menschen erlegt worden sind. Dazu gehören ca. 20 Skelette des Europäischen Waldelefanten, Überreste von etwa 100 Damhirschen sowie ein vollständig erhaltener Auerochse. Einzig in Neumark-Nord 1 können außerdem alle drei im Jungpleistozän Mitteleuropas bekannten Nashornarten zusammen nachgewiesen werden: Waldnashorn, Steppennashorn und Wollnashorn. Einige der Kadaver sind mit Werkzeugen aus Feuerstein assoziiert und beweisen damit menschliche Manipulationen. Die häufig vorkommenden Abschläge, die z.T. in der für Neandertaler typischen Levalloistechnik hergestellt wurden, sind laut Gebrauchsspurenanalysen unter anderem zum Tranchieren verwendet worden.

Von Geologen vom zuständigen Geologischen Landesamt Sachsen-Anhalts sowie der Deutschen Stratigraphischen Kommission wird das Becken von Neumark-Nord 1 in die Eem-Warmzeit eingestuft. Die Grundlage der Einstufung ist die klassische Lage des Interglazials in Hangenden der Saale-Grundmoräne, was sich in der flächendeckenden Prospektion Mitteldeutschlands im Zuge des Braunkohlentagebaus in insgesamt 39 Fällen eemzeitlicher Becken dokumentieren ließ. Diese Einstufung wird von einer Arbeitsgruppe um Dietrich Mania, dem ehemaligen Ausgräber von Neumark-Nord 1, nach wie vor bestritten, da hier aufgrund von Besonderheiten im Pollenprofil und dem reichhaltigen paläontologischen Material von einer Altersstellung in eine Warmzeit vor dem Eem und über der Saale-Grundmoräne ausgegangen wird (sog. "Neumark-Nord-Warmzeit" oder "Intrasaale-Warmzeit" vor ca. 200.000 Jahren).

In archäologischen Ausgrabungen seit dem Jahre 2003 wurden die weiteren Seebecken dieser Fundregion (Neumark-Nord 2 und 3) untersucht. Bemerkenswert ist das Becken Neumark-Nord 2, das mit Beckenschluff gefüllt ist und in dem drei Fundhorizonte überliefert sind. Der unterste (Neumark-Nord 2/2) enthält tausende Feuersteinartefakte in Levalloistechnik und zerschlagene Tierknochen von Wildrindern (Wisent und Auerochse), Pferden, Hirschen und Waldelefanten, aber auch von Bären und anderen Raubtieren. Der oberste Fundhorizont (Neumark-Nord 2/0) wird durch das Vorkommen von Keilmessern charakterisiert, deren Alter Archäologen mit etwa 90.000 Jahren angegeben. Aufgrund der Pollenprofile ist für den Hauptteil des Seebeckens Neumark-Nord 2 von einer Entstehung während der Eem-Warmzeit auszugehen, allerdings bestand es noch bis in die frühe Weichselkaltzeit fort. Zudem konnte anhand der Pollenprofile eine Übereinstimmung der Abfolgen von Neumark-Nord 1 und Neumark-Nord 2 gezeigt werden, so dass die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass beide Seebecken in die Eem-Warmzeit zu stellen sind. Das älteste Seebecken in dieser Region ist Neumark-Nord 3 und gehört wahrscheinlich der Holstein-Warmzeit (vor 320.000 - 300.000 Jahren) an. Hier fanden die Ausgräber nur wenige altpaläolithische Artefakte und tierische Reste.

Neben den bekannten Seebecken am Nordostrand stammen aus dem ehemaligen Abbaufeld Pfännerhall ein nahezu vollständiges Skelett eines etwa 60jährigen Wollhaarmammuts (Mammut von Pfännerhall) und Reste eines 10jährigen Tieres. Beide Tiere wurden 1953 während Abbauarbeiten entdeckt und geborgen, waren aber nicht mit archäologischen Funden vergesellschaftet. Sie lagen in den Schottern der Unstrut (sog. Körbisdorfer Terrasse) und gehören in die Vorstoßzeit der Saalekaltzeit (Saalehauptterrasse). Somit dürften beide Skelette zwischen 200.000 und 250.000 Jahre alt sein.

Die Funde des Tertiärs sind heute im Geiseltalmuseum in Halle ausgestellt, die archäologischen und paläontologischen Reste aus dem Pleistozän, vor allem das Mammut von Pfännerhall und die nach 1985 geborgenen Fundkomplexe aus dem Abbaufeld Neumark-Nord, hingegen im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle. Daneben gibt es eine größere Kollektion von pleistozänen Fossilien aus der Zeit vor 1980, so Skelettreste vom Waldelefanten, vom Höhlenlöwen und vom Mammut u. a. aus der ehemaligen Grube Elise II, welche sich im Museum für Naturkunde in Berlin befindet.

Von März 2010 bis Januar 2011 sind die Grabungsfunde des Seebeckens Neumark-Nord 1 in einer Sonderausstellung mit dem Titel „Elefantenreich" zu sehen. Darin wird das Alter dieses Seebeckens in der Sichtweise des ehemals verantwortlichen Archäologen Dietrich Mania mit 200.000 Jahren beziffert, was der eemzeitlichen Einstufung von etwa 120.000 Jahren durch das Landesamt für Geologie und Bergwesen Sachsen-Anhalt in Halle widerspricht.