Siedlungsgeschichte im Saale-Unstrut-Raum

Nur wenige dutzend Kilometer weiter westlich der Unstrut befindet sich die Fundstätte von Bilzingsleben. In dem dortigen alten ehemaligen Steinbruch Steinrinne wurden die Reste eines Rastplatzes altsteinzeitlicher Jäger gefunden, welcher über längere Zeit und wiederholt genutzt worden war. Der Ausgrabungsort zählt zu den bedeutendsten Fundstätten Europas. Denn er belegt die erste menschliche Besiedlung dieses Raumes durch den Menschen. Die ausgegrabenen Überreste von Homo erectus werden auf ein Alter von ca. 370.000 Jahren geschätzt. Die Funde stammen aus Sandschichten, die unter Travertin-Vorkommen lagern. Neben Steingeräten haben sich erstmals in Mitteleuropa in größerem Umfang Werkzeuge aus Knochen oder Horn sowie Feuerstellen und Arbeitsplätze erhalten. Zahlreiche Pflanzen- und Tierreste erlauben eine genaue Rekonstruktion der Umweltbedingungen jener Zeit. Damals herrschte hier ein fast tropisches Klima. Auch muss die Gegend am Meer oder einer Meeresbucht gelegen haben, darauf deuten jedenfalls Funde von Meereslebewesen hin. Es scheint als habe sich aus dem Homo erectus mit der Zeit der Neanderthaler entwickelt, möglicherweise gar in Mitteleuropa.

Mit der letzten Eiszeit kam der moderne Mensch nach Europa und verdrängte im großen Maßstab schnell den Neanderthaler. Im kleinen dürfte er aber von diesem nicht nur Fertigkeiten zum Überleben im kalten Norden gewonnen haben, sondern auch einige dafür nützliche Gene. Genuntersuchungen scheinen dies jedenfalls zu belegen. Während der Eiszeiten war der Raum zwischen Saale und Unstrut wegen seiner Kargheit in der Nähe der angrenzenden Gletscher kaum vom Menschen besiedelt. Aber in den Zeiten, in denen die Gletscher zurückwichen und sich vor diesen eine weitläufige Tundrasteppe bilden konnte mit einer reichen Tierwelt, war auch der Mensch hier zugegen.

Mit dem Ende der letzten Eiszeit entstand im heutigen Mitteldeutschland ein wichtiges Zentrum der sich entwickelnden europäischen Kultur. In der Mitte zwischen verschiedenen Kulturen liegend war man zwar nie wirklich Trendsetter, konnte aber schnell alles aufnehmen, was nützlich erschien.

Der Schatzfund von Nebra auf dem Mittelberg wirft die Frage nach Art, Bedeutung und Funktion der frühbronzezeitlichen Höhensiedlungen neu auf. Bis 1990 waren in Mitteldeutschland zwölf frühbronzezeitliche Höhensiedlungen bekannt, davon acht in der Saale-Elbe-Region. Durch die erneute Durchsicht bereits bearbeiteter Inventare kommen heute noch einige Anlagen hinzu. Besonders zahlreich sind die Höhensiedlungen im Raum zwischen Saale und Unstrut, gerade aus der Region um Nebra sind weitere Höhensiedlungen bekannt, die teilweise mittelalterlich überprägt sind, aber durchaus Vorgängeranlagen aufweisen könnten. Im Rahmen dieses Projektes wurden zudem Begehungen von Höhenfundplätzen im unteren Unstrut- und anschließenden Saaletal durchgeführt, die durch Luftbildprospektion bekannt waren, aber nicht ohne weiteres datiert werden konnten.

Die potentiellen Anlagen sind meist klein und topographisch günstig gelegen. Ihre genaue Erforschung ist noch Zukunftsarbeit. Bislang belegen lediglich Zufallsfunde eine entsprechende Besiedlung und handwerkliche Produktion. Diese wird an den Übergang der Früh- zur Mittelbronzezeit datiert und lässt Beziehungen zum Verband Böheimkirchen-Mad’arovce erkennen. Ziel weiterer Untersuchungen ist es, die These zu überprüfen, ob die Höhensiedlungen Zentralorte von Macht, Herrschaft, Wirtschaft, Handel und Kult waren und damit repräsentative Zeichen einer sozial und kultisch abgehobenen Herrschaftsschicht.

In Zähnen und Knochen des Menschen lagern sich Strontiumisotope ab, die noch nach Jahrtausenden Auskunft über die Herkunft und über den ursprünglichen Lebensraum des ausgegrabenen Skelettes und damit des ehemals bronzezeitlichen Menschen geben können. Hintergrund dafür ist, dass der Strontiumgehalt in Europa regional differiert. Während der Kindheit wird das Strontium der Umgebung in die sich neu bildenden Zähne eingebaut. Während der letzten Lebensjahre findet es Niederschlag im übrigen Skelett. Weist der Tote einen von der Umgebung abweichenden Strontiumgehalt in den Zähnen auf, so lebte er während seiner Kindheit in einer anderen Region. Weichen auch die Strontiumgehalte des Skelettes ab, so lebte er auch während der letzten fünf Jahre in der Fremde. Durch die Strontiumanalyse zahlreicher prähistorischer Skelette wird es möglich sein, grundsätzlich neue Aussagen zur Mobilität prähistorischer Bevölkerungsgruppen zu treffen. Ähnliche Ergebnisse werden auch für DNA-Auswertungen erwartet.

Analysen des genetischen Materials bronzezeitlicher Menschen können uns indirekt Auskünfte zur Sozialordnung der bronzezeitlichen Bevölkerung geben. Diese Aussagen sind allerdings äußerst wertvoll. Mittels genetischer Analysen ist es möglich, direkte Verwandtschaften und Abstammungsverhältnisse nachzuweisen. Diese Nachweise werden bei der Beurteilung von Gräberfeldern mit deren Reichtums- und damit Sozialgruppen eine wesentliche Rolle spielen. Darüber hinaus wird es möglich sein, langfristige Siedlungskontinuitäten oder Diskontinuitäten von Bevölkerungsgruppen während der Bronzezeit zu belegen. Hier wird es besonders spannend sein zu sehen, ob sich "Brüche" im archäologischen Material in analogen "Brüchen" im genetischen Material widerspiegeln, also ob wir es tatsächlich mit neuen Menschengruppen und deren Einflüssen oder nur mit einem Wandel der materiellen Kultur zu tun haben.

Erste veröffentlichte Untersuchungsergebnisse scheinen eine hohe Bodenständigkeit großer Bevölkerungsschichten von der Steinzeit bis in jüngste Zeit zu belegen, vor allem beim einfachen Volk. Nur einzelne Personenkreise haben wahrscheinlich eine höhere Mobilität besessen, die sogar über die Grenzen Europas hinwegzuweisen scheint.

Frei nach einem Interview mit dem Archäologen Harald Meller aus www.heise.de