Wandel in die Moderne

Wie Flurkarten von 1710 und 1728 zeigen, prägten damals noch die Langstreifenfluren die Landschaft. Sie entstammten oftmals der fränkischen Inbesitznahme der Landschaft und blieben zum großen Teil über ein Jahrtausend bis zur Separation bestimmend. Nach dem Wiener Kongress 1815 entstand aus alten brandenburgischen Gebieten wie der Altmark und Magdeburg im Norden und neu zum Königreich Preußen hinzugekommenen ehemals zumeist sächsischen und reichsfürstlichen Gebieten im Süden die preußische Provinz Sachsen und in deren unteren Teil der Regierungsbezirk Merseburg. Damit wurden auch die preußischen Gesetze von 1811, 1816 und 1821 übernommen, die auf das Edikt des Freiherrn vom Stein vom 9.10.1807 über die „Freiheit des Güterverkehrs, die Gewerbefreiheit und die Aufhebung der Gutsuntertänigkeit" zurückgingen. Es war nicht weniger als das Ende der Feudalherrschaft. Die war zwar schon ein paar Jahre zuvor, als die Gegend noch zum Königreich Sachsen gehörte und dort Napoleons Code Civil eingeführt worden war, verkündet worden, allein die Umsetzung haperte. Die neuen Gesetze betrafen die „Regulierung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse, einschließlich der Ablösung der Hand- und Spanndienste ...", die „Gemeinheitsteilungen" sowie die „Zusammenlegung, auch Spezialseparationen oder Landumlegung" genannt. Es war eine Königliche Generalkommission gegründet worden, die eine Mittelbehörde in Merseburg eingerichtet hatte. Die Aufgaben waren in einen juristischen Teil, in einen ökonomischen Teil und in einen geometrischen Teil gegliedert worden. Die völlige Neugliederung der Fluren war mit dem Wegfall aller Lasten, Zwänge, Vereinbarungen etc., die seit Generationen bestanden hatten, verbunden. Es gab Widerstände und zahlreiche Streitigkeiten. Zu Beginn berücksichtigte man noch die alten Grundstrukturen in der Gemarkung, später ging man rigoroser vor und schuf auch ein neues Wegenetz. Die Vorgänge dauerten Jahrzehnte an. Auch wenn der größte Teil bereits im Laufe des 19.Jh. abgeschlossen war, gab es die letzten Rezesse und Vermessungen noch in den 30iger Jahren des 20.Jh. Im Ergebnis waren die langgestreckten Gemarkungen der Geiseltalgemeinden erhalten geblieben, aber die schmalstreifigen Felder waren größeren, zusammenhängenden Rechteckstücken gewichen.

Mit der Durchführung der Separation war die mittelalterliche Kulturlandschaft verschwunden, doch mit dem Erhalt des alten Wegenetzes wie dem Müchelner Weg von Klobikau, dem Alten Heerweg von Merseburg nach Klobikau bzw. Burgstaden, dem Gerichtshain etc., wurde die Grundstruktur bewahrt. Da sich die Veränderungen auch über Jahrzehnte dehnten, vollzog sich dieser Prozess für die Bewohner weniger dramatisch als man zu Beginn der Maßnahmen vermutete. Einschneidender waren dann die flurgestaltenden Eingriffe in der Folge von Bodenreform und sozialistischer Landwirtschaftspolitik sowie dem Braunkohlentagebau der DDR. Getoppt wurden diese dann nur noch von den umfangreichen 'Verwaltungsreformen' und Umstrukturierungen der BRD. Den wohl nicht letzten Schritt leitet die bereits zu DDR-Zeiten eingeleitete Renaturierung der erschöpften Braunkohlentagebaue und -halden ein. Am Ende wird sich die Landschaft hier in nur wenigen Jahrzehnten derart umgestaltet sehen, wie es die Natur nur in Jahrzehntausenden schaffte.

Aber schon im frühen Mittelalter wurde die Landschaft so durchgreifend verändert und gestaltet, dass diese Gliederung noch heute erlebbar ist, ja sogar juristische Folgen hat. So reichen die Gemarkungen von Mücheln, Krumpa und Braunsbedra bis über den Nordrand des Tagebaus hinaus, und die Schwarzeichedörfer haben dadurch kaum Zugang zum entstehenden See im Geiseltal. Die heutigen landschaftlichen Strukturen die der Braunkohlenbergbau hinterlassen hat, bestimmen das Geiseltal vollständig. Auch Geisel und Schwarzeiche wurden mindestens seit dem Mittelalter mehrfach umgeleitet

Wie wenig die „Bergbaufolgelandschaft" bereits im 'Heute' aufgenommen wurde, zeigen die fehlenden Benennungen für einzelne landschaftliche Elemente, ja für den gesamten Raum westlich von Merseburg. Der Name „Geiseltal" trifft ja nicht zu, die Schwarzeichedörfer gehören doch dazu!

Gerade wegen seiner Lage im sicheren Hinterland ließen die Nazis die chemische Industrie um Merseburg stark ausbauen. Am Anfang des 2.Weltkrieges war sie damit unerreichbar für feindliche Bomber. Das änderte sich bald, ab 1944 wurden auch hier die Bormbardements der Anglo-Amerikaner immer massiver. Vor allem die Chemiefabriken von Buna und Leuna waren das Ziel, aber auch viele weitere Industriebetriebe. Natürlich wurden dabei auch viele zivile Gebäude getroffen. Halle, Merseburg, sogar Naumburg wurden schwer bombardiert. In den Dörfern aber, die weit von den Städten und Industriebetrieben lagen, passierte nicht viel, auch nicht als US-amerikanische Verbände im April 1945 die Gegend an Saale und Unstrut erreichten.

Am Nordufer des Geiseltalsees erhebt sich der 'Wünsch’, ein 220m hoher künstlicher Berg, eine Halde mit weiter Aussicht bis zum Petersberg (eigentlich Lauterberg, 250m) der zweithöchste Berg in der weiteren Umgebung. Er ist bis Halle und Leipzig zu sehen, aber nur wenige Bewohner kennen ihn. Der Berg war als Hochhalde bei Klobikau aufgeschüttet worden und die Sowjetunion hatte auf ihm bis 1989 einen Raketenstützpunkt mit Bunkereinlagen eingerichtet. Dadurch durfte der Wünsch nicht betreten werden und er blieb als namenloses Objekt – in der Umgebung als ‚die Kippe' oder 'die große Halde‘ bezeichnet – den meisten Menschen unbekannt.