Frühes Mittelalter

Das Geiseltal war im frühen Mittelalter Bestandteil der sächsisch-thüringischen Landschaft 'Hosgau', auch Friesengau genannt. Es war das Land zwischen Unstrut, Saale und Schlenze bis vor dem Hornburger Sattel. Dieses wurde und wird als Teil einer reich gegliederten Gefildelandschaft im größten zusammenhängenden Börde-Offenland Mitteleuropas charakterisiert. Im Norden, Osten und Süden des Harzes reihten sich weitere Kleingaue aneinander. Während sich das Geiseltal als sanftes Muldental darstellt, ähnlich wie an der Schwarzeiche oder Lauche, aber mit einem wasserreichen Bach, so hatten wir westlich von Merseburg eine ruhige Offenlandschaft. Die Ackerfluren bestimmten die Physiognomie, Gehölzgruppen und kleine Waldungen an den Wasserläufen gehörten dazu. Aber die Horizonte sind nicht unendlich weit entfernt gewesen, recht nah säumten Wälder die Landschaft im südlichen Hosgau.

Der Hosgau bildete im 5.Jh. mit weiteren Gauen die Kernlande des Thüringischen Reiches. Mindestens fünf Dörfer befanden sich hier bereits westlich von Merseburg: Geuuesa (Geusa)-Burgsdorf-Muchunlevaburg (Muchunleva, Muchelde, Mücheln), wahrscheinlich noch Wünsch (Wunsci) und dann (Frankleben) Franchenleva. Die Muchunlevaburg lag noch im Wald, der nach Süden und Westen die Hochfläche bis zur Unstrut bedeckte, aber hoch über dem Tal der silbern blinkenden Geisel. Von hier aus blickte man nach Norden über die sanften Täler sowie die mit Äckern besetzten Hügel hinüber zu den Hainen an Schwarzeiche und Laucha. Es ist anzunehmen, dass ein großer Teil der Bevölkerung alt angestammt in dieser Gegend siedelte und nicht erst mit den Thüringern hierher zuwanderte. Da die Wanderungsbewegungen der Germanen sich aber oftmals entlang der Saale nach Süden vollzogen, gab es viel Zufluss an frischem Blut und neuer Kultur. Auch uralte Handelswege aus dem Rhein-Main-Gebiet bzw. von der Donau brachten nachweisbare Kulturimpulse aus dem mediterranen Raum mit. Ebenso sind Kultureinflüsse vom Balkan und aus Kleinasien, bis hin zum Nahen Osten und den mittelasiatischen Steppen schon seit Alters her nachweisbar.

Nach der Zeitenwende lebten an Saale und Unstrut die Hermunduren. Es ist strittig, inwieweit die Hermundurenherrschaft das Ende der Antike erlebte und sie tatsächlich als Begründer des Thüringerreiches gelten können. Auf alle Fälle kam es im 4. bis 6. Jahrhundert im Zuge der Völkerwanderung, die ganz Europa betraf, auch zwischen Saale und Unstrut zu Bevölkerungsbewegungen. Während einige hiesige Gruppen sich Durchwandernden Richtung Süden anschlossen, ließen sich Teile der durchwandernden Gruppen hier nieder. An der Unstrut siedelten sich wohl Angeln aus Jütland und Warnen aus Nordmecklenburg an, weitere Bevölkerungsgruppen von Burgundern über Goten bis Vandalen darf man annehmen. All diese neuen Gruppen bilden ab dem 5.Jh. das Reich der Thüringer, welches von der Elbe im Norden und Osten wahrscheinlich bis zur Donau im Süden reichte.

Mit dem tragischen Untergang des thüringischen Königshauses nach der Schlacht von 'Scidinge' (wohl unweit der Unstrut gelegen) im Jahre 531, trat mal wieder eine kulturelle Wende ein. Der damalige nördliche Teil Thüringens, also das Land nördlich der Unstrut, geriet an die Sachsen (Ostfalen), welche von den Franken gegen deren alten Feinde, die Thüringer, aufgehetzt wurden. Es scheint in der Folge der Auseinandersetzungen im Hauptkampfgebiet an Saale und Unstrut zu teilweisen Entsiedlungen gekommen zu sein. Einige Dörfer dürften wüst gefallen sein. Mit der sächsischen Herrschaft siedelten sich hier auch bald Sachsen an, mit diesen auch Friesen und Jüten von der sturmflutbedrohten Nordseeküste, und bald auch Slawen von östlich der Saale. Bei Burgwerben (Weißenfels) liegt die Wüstung Sachsendorf, d.h. die Bewohner unterschieden damals die „neuen Bürger", die nichtthüringischen, mit dieser Bezeichnung.

Wohl die Friesen brachten die Kultur der Reihengräberfelder aus Friesland mit. Diese Begräbniskultur ist begrenzt auf Gegenden, in denen sich Germanen auf zuvor römischem Gebiet niederließen bzw. an deren ehemaligen Grenzgebieten, wo der römische Einfluß sehr stark war. Außerhalb dieses Territoriums gibt es größere Gebiete mit Reihengräbern nur noch in Mainfranken, dem westlichen Friesland (der Stammheimat der Friesen im Mittelalter) und eben dem ehemaligen Friesengau an der Unstrut.

Dass sich die eigentlich östlich der Saale siedelnden Menschen problemlos westlich der Saale niederlassen konnten, ebenso später auch germanisch-deutsche Siedler östlich der Saale, dürfte daran liegen, dass Stammeszugehörigkeiten damals nicht so feststehend waren, wie heute oft angenommen wird. Noch zu Zeiten der deutschen Landnahmen lassen sich überall im Gebiet zwischen Elbe und Oder germanische Siedlungsreste nachweisen. Die Germanen besiedelten lieber die trockenen Hochebenen, die Slawen ließen sich hingegen in den feuchteren Flußauen nieder. Dies war in der fortschrittlicheren Art der Landwirtschaft der Germanen begründet, welche sich auf Ackerbau und Viehzucht konzentrierte, während die der Slawen vor allem auf Fischfang und Waldbauernschaften fußte. Der Großteil der zwischen Elbe und Saale siedelnden Bevölkerung dürfte zur Zeit der deutschen Landnahme als alteingesessen betrachtet werden, was im Grunde auch für die germanische Überlagerung ein gutes Jahrtausend zuvor zutrifft. Wie andernorts auch passten sich die einfachen Bauern schnell dem neu dazugekommenen Kriegsvolk und Adel an, man übernahm deren Sprache und Teile derer Kultur. Aber auch die neuen Herren übernahmen von den Alteingesessenen viel. Im Saale-Elbe-Gebiet ist dies besonders bei den religiösen Riten zu verfolgen, denn Slawen und Germanen verehrten den ursprünglich germanischen Donnergott Donar. Als die ersten Christen kamen, waren sich also Slawen und Germanen beiderseits der Saale von der Religion her näher, als dies heidnische Germanen und christliche Franken waren. Auch dürften die Dialektunterschiede zwischen Thüringern bzw. Sachsen und Franken nicht gering gewesen sein.

Für das Volk änderte sich wenig. Die einfachen Bauern unterstanden nun neuen Herren. Krieger und Adlige, welche überlebt hatten, wanderten entweder aus oder arrangierten sich. Nationalismus war noch unbekannt, Stammeszugehörigkeiten wurden gewechselt wie Kleidung und die jeweilige heidnische Religion war zumindest ähnlich. Es wird hier einige Orte gegeben haben mit großer siedlungsgeschichtlicher Kontinuität bis hinein in die Bronzezeit und wohl sogar in die Steinzeit. Interessant wären genetische Untersuchungen. Es würde nicht sonderlich verwundern, wenn die Nachkommen der Herren der Scheibe von Nebra noch heute in und um Nebra ansässig wären.

Etwa 20.000 Krieger aus ganz Sachsen schlossen sich im Jahre 568 den Langobarden auf ihrem Zug nach Italien an. Etliche werden um 531 hier mitgekämpft und vielleicht sogar eine kurze Zeit gesiedelt haben. Nach manchen Abenteuern kehrten einige dieser Sachsen oder deren Nachkommen etwa im Jahre 575 zurück. Hier lebten inzwischen neben alten thüringischen und dazu gekommenen sächsischen Bewohnern auch neu eingewanderte friesische sowie schwäbische und hessische Siedler. Die Sachsen forderten diese Fremden auf, das Land zu räumen. Die mittlerweile heimisch gewordenen Siedler boten den Sachsen einen Teil des Landes an, diese lehnten aber ab. So musste es wohl zu einem gewaltsamen Zusammenstoß zwischen den alten und neuen Besitzern dieser fruchtbaren Gebiete kommen. Die 'Neu-Sachsen' wurden in zwei Schlachten entscheidend geschlagen und beinahe vernichtet. Wo der Kampf stattgefunden hat, darüber gibt es keine Überlieferung. Aus der Richtung des sächsischen Anmarsches ableitend, vermutet man, der Kampf fand um 575 auf dem jetzt noch so genannten „Schlachtfeld" statt, welches im Dreieck Langeneichstädt, Schafstädt und den „vier Dörfern" liegt.

Das ehemalige Thüringische Kernland war im 7.Jahrhundert zum Grenzland zwischen Sachsen und Franken geworden, auf welches beide Gruppen Anspruch erhoben. Daraus entstehende Schwächesituationen nutzten die sich zwischenzeitlich östlich der Saale angesiedelten Slawen aus und fielen immer wieder in diese Landschaft ein. Der Vollständigkeit halber muss man aber erwähnen, dass Franken und Sachsen dies anders herum ebenfalls taten, wahrscheinlich sogar häufiger. In dieser Zeit fassten hier auch Slawen Fuß, manch einer siedelte sich von alleine an, mancher wurde hier angesiedelt. Trotz dieser Auseinandersetzungen, die damals in vielen Regionen Alltag waren, war es in dieser Landschaft für gut zwei Jahrhunderte recht friedlich.

Aber später nachdem die Thüringer längst Teil des fränkischen Reiches waren, gerieten Frankenreich und Sachsenland immer mehr in Gegensatz. Im Jahre 744 eroberten Karlmann und Pippin, die Söhne von Karl Martell, die Hochseeburg (Seeburg am Süßen See) und machten aus dieser eine fränkische Grafenburg. Nun wurde das gesamte Gebiet mit 19 Burgen, denen 240 Bauernsiedlungen zugeordnet waren, besetzt. Das wissen wir, weil Karl der Große 780 den königlichen Zehnten, der über die Grafen abzuführen war, an das Kloster Hersfeld vergab. Dieser Königszehnt, wurde von „ingenum hominibus", also von freien Leuten abgegeben. Wie in weiten Teilen des Frankenreiches begann das Feudalsystem sich erst noch durchzusetzen, in den Grenzregionen im Osten dauerte dies Jahrhunderte länger als im Westen. Dafür ging es dort dann später umso schneller und intensiver mit der Feudalisierung voran - ein Grund für die später hier so vehement geführten Bauernkriege.

Wohl haben die Frankenkönige bzw. deren Hausmeier nach 531 den königlichen Besitz des ehemaligen thüringischen Herrscherhauses direkt übernommen. Insbesondere die Wacht an den neuen Grenzmarken dürften aber andere Adlige zum Lehen übernommen haben. Das bedeutete für den Hosgau eine völlige neue Situation - eine gewaltige Wende - für die Menschen. Das ehemalige Kernland wurde zu einer Grenzmark zwischen den Franken auf der einen Seite und den Sachsen und Wenden auf der anderen. Neue Herrscher übernahmen hier große Teile der Fluren. Zur Absicherung des Reiches nutzten die Franken diese Möglichkeit zur Errichtung einer „großräumigen Einheitlichkeit der Herrschaft" im "ducatum Thoringiae cum marchis suis". Auch wenn dabei die Unstrut eine Grenze darstellte, griff die fränkische Herrschaft immer wieder weit über diese hinaus. Das spätere Merseburger Land, zwar auch später noch lange zu Sachsen gehörend, geriet mehr und mehr unter fränkische Kontrolle. Dennoch oder gerade deswegen scheint das Zusammenleben hier zwischen Franken, Friesen, Sachsen und Wenden eher friedlich gewesen zu sein. Das Frankenreich hat wohl auch nur selten die Region als Basis für eine Dritte Front gegen die Sachsen genutzt, vermutlich weil das Land von den Fränkischen Stammlanden zu entfernt lag.

Die Franken und Friesen brachten ihre Vorstellung von der Hufeneinteilung der Flur mit, sie hatte sich als günstig für die Dreifelderwirtschaft erwiesen. Sie legten ihr Maß, die Königsrute (= 4,67 m) zugrunde und ausgestattet mit der Meßleine, wandelten sie die alten Gewanne, das Königsland und die Allmenden in hufenähnliche Langstreifenfluren um.

Um ein Beispiel anzuführen: In Klobikau wurden Hufen von 2800m Länge angelegt, jede Hufe 20 bis 21m breit. Die gesamte Flur wurde dazu jeweils in drei Zelgen aufgeteilt. Da dieses Prinzip in gleicher Weise im gesamten Gebiet erfolgte, kann man spätestens hier das planmäßige Vorgehen erkennen. Jeder 'mansus', d.h. Unfreie, verfügte in jedem Feld über eine Hufe. 44 Hufen für Nieder- und 22 Hufen für Oberklobikau. Da Klobikau auch Königsgut hatte, muss es auch Freie gegeben haben, was sich an der Anlage und Größe der Höfe in Niederklobikau zeigen läßt - an der Bachseite lagen die zehn größeren Gehöfte mit 2 x 16,4 ha Hufen und gegenüber die 17 oder 18 kleinen Hofstellen mit einer Hufe. 1058 erwarb der Bischof von Merseburg 8 Hufen für das Domkapitel. Ähnlich sieht es in Körbisdorf aus. 11 Hufen zu 9,5 ha wurden in parallelen Dreifelder Landstreifenfluren angelegt, dazu Breitstreifen für Großhöfe. Die Gemarkungen, die lang und schmal verliefen, je Gemeinde nach Norden und Süden an der Geisel und doppelseitig an der Schwarzeiche, verdanken ihre Entstehung dieser planmäßigen Separation in der Mitte des 8. Jh.. Ihre Anfänge lagen wohl bereits im 7. Jh. als die Sachsen und mit ihnen Friesen wie auch bald die Sorben zu siedeln begannen.

Wenn man für Nieder-Klobikau ca. 28 Hofstellen im 9.Jh. ausmacht, so darf man etwa 250 Einwohner kalkulieren und für das Gebiet an Geisel und Schwarzeiche ca. 10.000 insgesamt annehmen. Damit erhalten wir eine Einwohnerdichte von etwa 100 je qkm, was außerordentlich hoch ist. (Bei 5 Hofleuten wären es ca. 75 Einwohner/qkm). Die königlich karolingischen Burgen befinden sich in Merseburg, Mücheln und Burgstaden. Sie zogen den Zehnten ein und sorgten für den Heer- und Banndienst.

In der heutigen Region zwischen Saale und Unstrut, in deren Mitte das Geiseltal als berümteste geographische Einheit liegt, hatte sich ein Siedlungsnetz bereits in thüringisch-fränkischer Zeit (6.-9.Jh.) herausgebildet. Es war ein erstaunlich dichtes Netz, was besonders auf historischen Karten augenscheinlich wird. Die Dörfer waren eher klein, aber zahlreich. Ähnlich den Waldhufendörfern in Schlesien reihten sie sich entlang der die Hochebene durchfließenden Täler von Geisel, Lauche und Schwarzeiche wie Perlen auf einer Schnur. Entlang dieser Täler konnte sich dann das Land bzw. Stift Merseburg von der Stadt Merseburg ausgehend ausdehnen.

Im Jahre 933 kam es zwischen Deutschen und Ungarn zur Schlacht von Riade. Der genaue Ort der Schlacht ist heute nicht mehr bekannt. Es wird vermutet, dass sie bei dem Kalbsriether Ortsteil Ritteburg an der Mündung der Helme in die Unstrut stattgefunden hat. Dort soll Heinrich angeblich vom sogenannten Kains- bzw. Königsberg seine Truppen befehligt haben. Das Schlachtfeld selbst ist aber nicht direkt bei einer Ortschaft namens Riade zu suchen, da Widukind in seinem Schlachtenbericht zwar erwähnt, dass König Heinrichs Heer bei Riade lagerte, die Schlacht aber bei der Burg des Wido stattfand, welche von den Ungarn belagert wurde. Die Schlacht konnten die Truppen Heinrich I. für sich entscheiden, der Sieg war so überwältigend, dass die Ungarn danach in heilloser Flucht begriffen waren. Es ist anzunehmen, dass sich nicht wenige davon nach der Schlacht hier ansiedelten.

Da die jüngste Geschichte der Landschaft so vollständig vom Braunkohlenabbau im Geiseltal bestimmt war und seine Auswirkungen auch auf die Umgebung reichten, gerieten Überlieferungen und Namensgut in der Landschaft mit den 16 verschwundenen Dörfern und Siedlungen in Vergessenheit. Ja sogar Namen ehemaliger eigenständiger Dörfer, die jetzt eingemeindet sind, kennen die Bewohner oft selbst kaum noch. Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts lagen die Dörfer an Geisel und Schwarzeiche dicht aneinandergedrängt und jedes hatte seinen eigenen Namen: Kötschen - Niederbeuna - Oberbeuna - Reipisch - Frankleben und Runstädt - Naundorf - Wernsdorf - Zütschdorf - Körbisdorf - Benndorf - Gräfendorf - Geiselröhlitz - Neumark und Petzkendorf - Kämmeritz - Lützkendorf - Unterkrumpa - Oberkrumpa - Neubiendorf - Möckerling - Zöbigker - Zorbau - Eptingen; sowie Mücheln mit Wenden und Gehüfte sowie St. Ulrich und St. Micheln, die seit altersher - von Anfang an - immer auf Müchelner Flur lagen und wohl auf eine alte Markgenossenschaft am Fuße der Burg zurückgehen, dazu Ströbnitz, insgesamt etwa 26 Dörfer auf 12 km Entfernung, ähnlich an der Schmerzeiche von Knapendorf bis Wünsch,- dichter geht es nicht - das ist einmalig im Deutschen Reich gewesen. Erstaunlich ist weiter, dass diese dörfliche Gliederung wie die dazu gehörende Flurgliederung über 1000 Jahre erhalten blieb - auch mit ihren Namen, die erst seit dem 2.Weltkrieg in Vergessenheit zu geraten drohen.